Wie meine Cyanotypie-Postkarten entstehen

Darüber, wie ich unterwegs Lumenprints mache, habe ich hier schon geschrieben. Schon viel, viel länger jedoch mache ich Cyanotypien unterwegs und habe inzwischen einen flexiblen und unkomplizierten Prozess erarbeitet. Da ich ihn noch nie hier beschrieben habe, hole ich dies nun nach:

Gestern waren wir auf einem Faltboot-Ausflug im Klöntal. Wir haben nicht nur das Faltboot eingepackt, ich hatte auch noch meine vorbereiteten Cyanotypie-Karten dabei:

Ich verwende Hahnenmühle-Aquarellpostkarten (die feinen, nicht die groben!, und beschichte sie mit Cyanotypie-Lösung.
Diese Karten werden in einer Blechschachtel verkauft, die kann ich als Transportbox verwenden. Sicherheitshalber mit der beschichten Seite nach unten und zusätzlich stecke ich sie noch in einen schwarzen Beutel.

Es ist Spätsommer, und auf 850 M.ü.M. bereits Frühherbst. Die Wiesen um den See sind lila getupft- die Herbstzeitlosen sind da. Am Klöntalersee wird viel gepicknickt und gegrillt, insgesamt ist dennoch alles sehr sauber und gepflegt, für mein „Abfallprojekt“ ist das erfreulicherweise kein guter Ort. Aber in einer Feuerstelle habe ich ein Gitter von einem Einweg-Grill gefunden. Da ich keinen Belichtungsrahmen dabei hatte, konnte ich dieses Stück Abfall gut nutzen, um die Herbstzeitlosen etwas zu fixieren.

(Ich mag den Einfluss des fehlenden Belichtungsrahmens auf meine Bilder eigentlich. Dennoch denke darüber nach, mir einen einfachen Belichtungsrahmen-Ersatz zu basteln – zwei kleine Plexiglasplatten und ein paar Klammern sollten eigentlich reichen und hätten im schwarzen Beutel Platz.)

Einmal Belichten ohne Festhalten – ich hoffe inständig, es kommt kein Windstoss. Die Blüte ist sehr leicht!
Und einmal Belichten mit Festhalten.
Und dank des Wegwerfgrill-Gitters qualifiziert sich diese Bild dann gleich auch für das Abfallprojekt.

Die Cyanotypie-Chemie reagiert mit UV-Licht. Die belichteten Teile werden blau, die unbelichteten behalten die Originalfarbe des Papiers. Damit dieser Effekt sichtbar wird und haltbar bleibt, muss man die Cyanotypie-Chemie wieder aus dem Papier herauswaschen. Sie ist nicht giftig, daher ist es unproblematisch, dies direkt im See zu tun. Anschliessend kann man die Bilder an der Sonne trocken – fertig!

Das Bild schwimmt etwa 10 Minuten im Wasser.
Unser Kajak ist eine ziemlich gute Unterlage zum Trocknen.

Und hier noch die fertigen Bilder!

Experimental Photo Festival 2025

Im Mai 2022 war ich das erste Mal in Barcelona, zwei Wochen die Stadt entdecken. Auf einem der vielen Stadtspaziergänge habe ich an einem Strassenpfahl einen Aufkleber gesehen: Experimental Photo Festival. Im Juli. Schade, dachte ich, dass wir dann nicht mehr in Barcelona sind: Das hätte ich gern gesehen.

Wieder zu Hause, ging ich auf die Website des Festivals. Und eine neue Welt tat sich mir auf: Ich hatte damals zwar schon seit Jahren viele Lochkameras gebaut, ein Cyanotypie-Strandabfall-Projekt angefangen, Photogramme, Solargrafien (die haben es sogar in die Lokalzeitung geschafft) und ein paar Anthotypien gemacht – aber da gab es noch so viel mehr! Und Theorie dazu, und Geschichte! Und ganz viele Menschen, die auch solche Sachen machen und vor allem: Die ihr Wissen teilen! Ich habe youtube-Videos geschaut, gelesen, dann ausprobiert. Und mich für online-Kurse eingeschrieben. Und ich bin immer tiefer eingetaucht ins Experimentieren.

Diesen Sommer nun war ich wieder in Barcelona. Endlich live am Festival dabeisein! Fünf Tage lang Workshops besuchen, Vorträge hören, Vernissagen besuchen, Bilder anschauen und fachsimpeln, Menschen kennenlernen, die auch solche Sachen machen, sich inspirieren lassen. Es war grossartig.

Vier Workshops habe ich besucht, nicht alle mit der Intention, direkt etwas für meine Praxis zu lernen. Ich wollte schon Neues lernen, das ich anwenden möchte – Wassergramme zum Beispiel – aber auch Techniken ausprobieren, die ich selber sicher nicht machen möchte, Künstler:innen zuhören, die technisch Ähnliches machen wie ich aber mit einer anderen Bildsprache arbeiten.

Ein paar Eindrücke:

Sehr grossen Spass haben die zwei Kurzworkshops am letzten Tag gemacht:

Mit Justin Quinell ein Fotobuch herstellen aus altem Toastbrot: Antothypie auf Toastbrot, gebunden mit Spaghetti.

Cyanotypie-Gruppenbild im Massstab 1:1

Lumenprint-Tagebuch: Frösche leben gefährlich

Unser Dorf wächst – an den Rändern sind neue Häuser entstanden. Und mit den Häusern kamen Menschen und mit den Menschen kamen Autos. Grosse, schwere Autos.

Vor den Menschen waren Frösche, Kröten, Unken da. Sie überqueren die Strasse, auf denen die Menschen in ihren Autos zu ihren Häusern fahren.

Überfahrener Frosch. Lumenprint auf altem Fortebrom-Papier

Lumenprint-Tagebuch: Aufdringliche Pflanzen

Es tut mir immer ein kleines bisschen weh, invasive Neophyten auszureissen. Sie können ja nichts dafür, dass sie hier nicht hinpassen und das Gleichgewicht stören. Ich fühle mich jeweils wie eine schlechte Gastgeberin.

Im Kanton Glarus gibt es 14 invasive Pflanzenarten, die als so problematisch gelten, dass sie offiziell bekämpft werden. Im verlassenen Garten vis-à-vis wächst eine davon büschelweise: Die kanadische Goldrute.

Das hier sind einige davon:

Kanadische Goldruten, Cyano-Phyto-Lumen auf uraltem Kodak-Papier
making of

Nicht jedes Experiment gelingt

Letzte Woche hat ein Gewitter ein paar Äste eines Trompetenbaums gepflückt.

Ich habe einen davon nach Hause genommen um auszuprobieren, ob sich die Blätter für Chlorotypie eignen, also für einen Druck auf Papier durch stellenweises ausbleichen des Chlorophylls.

Die Blätter sind sehr gross und haben eine kompakte Form. Es sollte nicht allzu schwierig sein, darauf ein Bild gut zu plazieren.

Ich habe verschiede Ansätze getestet: Ein auf Folie gedrucktes Foto (siehe Bild rechts), eine Blütendolde, eine Blütendolde auf ein mit Cyanotypie-Lösung vorbehandeltem Blatt. Leider hat nichts davon ein brauchbares Resultat hervorgebracht.

Auch mit dem besten Willen und viel Anstrengung kann man hier nicht erkennen, was das Bild darstellen soll (eine Rückenansicht der Ganymed-Adler-Skulptur am Bürkliplatz in Zürich). Ich denke, die Blätter sind zu weich und haben einen zu hohen Wasseranteil – sie ziehen sich beim Trocken sehr rasch sehr stark zusammen. Nach dem nächsten Gewitter versuche ich es vielleicht noch einmal, mit einem Blatt, das ich zuerst presse, bis es fast trocken und ganz flach ist.

Auszuschliessen ist die Hypothese, es könnte an der etwas milchigen Folie gelegen haben, die ich für die Vorlage verwendet habe. Ich habe dieselbe Vorlage benutzt, um auf Efeu zu drucken – dass Efeublätter gut geeignet sind, weiss ich schon -, und das hat funktioniert. So wäre es gedacht gewesen.

Und hier noch das Originalfoto: Ganymed mit Adler, von hinten.

Granatapfel-Entwickler

Kürzlich habe ich einen Granatapfel gekauft, der sich beim Rüsten als halb verdorben herausgestellt hat. Ich habe ihn nicht direkt kompostiert, sondern die noch einigermassen passablen Teile kleingeschnitten, mit heissem Wasser übergossen, die Schale eines anderen Granatapfels hinzugefügt und das ganze ein paar Tage stehengelassen. Der so entstandene „Tee“ war die Grundlage für einen selbstgemachten Filmentwickler:

  • 500 ml Granatapfel-„Tee“
  • 40 g Soda
  • 10 g Vitamin C
  • 0.5 g Kaliumbromid

Damit habe ich einen 2020 abgelaufenen und heute mit der Rolleiflex „verfotografierten“ Ilford-Delta-400-Film 12 Minuten lang bei 39 Grad entwickelt.

Et voilà – es war ein heisser Sommertag, heute:

Zwei Tage später habe ich den selbstgebrauten Entwickler verwendet, um einen Abzug zu machen. Dabei habe ich gelernt:

  • Mit RC-Papier hat es nicht funktioniert, auf Baryt jedoch schon.
  • Obwohl die Negative einen deutlichen Orange-/Rotstich haben, funktioniert der Abzug auf Multigradepapier.
  • Für das Entwickeln im Granatapfelentwickler habe ich das Papier dreimal so lange belichtet wie für das Entwickeln im Standardentwickler.
  • Die Entwicklungszeit ist sehr lange: 6-8 Minuten. Auch habe ich recht lange gewässert, und schon zwischen Entwickeln und Stopp ein Wasserbad dazwischengeschaltet, um den Granatapfel-Soda-Brei nicht im Fixierer zu haben. Das lange Bad weicht das Papier sehr auf, es ist dann sehr empfindlich. Mit Wäscheklammern zum Trocknen aufhängen geht nicht mehr.
Abzug auf abgelaufenem Ilford RC Multigrade-Papier

Abzug auf abgelaufenem Orwo Baryt-Papier

Lumenprint-Tagebuch: Unspektakuläre Rekorde

Und wieder gibt es „Rekord-Wetter“, Schnee an Ostern, Überschwemmungen, Unwetter. Geschlossene Strassen, Stromausfälle. Die online-Portale schalten Newsticker.

Doch nicht alle Veränderungen in den Wettermustern sind so spektakulär. Der Bodensee mit seinem aktuell rekordtiefen Wasserstand (die Rekorde jagen sich!) liegt ruhig und unspektakulär da, man muss schon wissen, wie er normalerweise aussieht und riecht, um es zu bemerken. Jedenfalls im Obersee, wo der See tief und das Ufer steiler ist, und es über weite Strecken einen Schilfgürtel hat, der auch trockengefallen „normal“ aussieht. Doch der trockengefallene Streifen ist breit und erinnert an die Ostsee bei Ebbe.

Bei Egnach habe ich eine Lücke im Schilfgürtel gefunden. Dort, wo das Gras aufhört, fängt normalerweise der See an. jetzt geht es noch ein ganzes Stück weiter, auf brackig riechendem lehmigem Boden. Je näher ich dem Wasser komme, desto schlammiger wird es, und wenn da nicht überall alte, abgebrochene Schilfstängelstück liegen würden, würde ich einsinken. Ich möchte als Erinnerung nicht nur lehmverkrustete Turnschuhe nach Hause nehmen:

Die Belichtungszeit war unfreiwillig kurz. Es war windig, und obwohl ich eine windgeschützte Stelle gesucht habe, war das Schilf dann auf einmal weg.

Lumenprint-Tagebuch: Frühling am See

Gestern war ein sonniger und warmer Frühlingstag. Ich bin an den See gefahren, an meinen Lieblingsplatz am Walensee, mit einem Rucksack voll Fotopapier und dem Kopf voll mit Ideen.

Ich bin sehr gern am See. Ein paar Stunden am und im Wasser laden zuverlässig meine Batterien auf, heben meine Laune. Es fehlt mir sehr, dass ich im Winter nicht im warmen Sand liegen und lesen oder träumen kann, es fehlt mir, dass ich im Winter nicht im See schwimmen kann. Darum habe ich mir vor zwei Jahren (endlich!) einen Neopren-Anzug zugelegt, so kann ich die Schwimmsaison in beide Richtungen ein bisschen verlängern. Noch ist der See dafür aber ein bisschen zu kalt. Auch mit Neopren sollte die Wassertemperatur zweistellig sein.

Nun also ohne Schwimmen, dafür mit Fotopapier an den Strand. Die Idee war, irgendwie „Frühling am See“ abzubilden. Im Frühling hat es am Strand einen Schwemmgutsaum, viel pflanzliches Material, ein paar Schneckenhäuschen und glücklicherweise sehr wenig Kunststoffabfall. Zwei Beispiele:

Rosmarinzweig aus dem Schwemmgutsaum auf altem Fotopapier (Argenta Baryt), vor dem Fixieren
Dasselbe Bild, nach dem Fixieren
Gemischtes Schwemmgut auf altem Orwo-Fotopapier, vor dem Fixieren …
… und danach
Und jetzt Daumen drücken, dass kein Windstoss kommt!

Lumenprints „in the wild“ zu machen, ist eine ziemliche Herausforderung – ganz besonders am See. Wasser verändert die Entwicklungszeit dramatisch, das gilt natürlich für jeden noch so kleinen Tropfen oder Spritzer. Sand ist eine Herausforderung, vom Wind gar nicht zu reden. Und auch nicht davon, dass es ziemlich umständlich ist, das Fotopapier unter dem Pullover aus der Packung zu fummeln, damit es auch ja kein Licht abbekommt.

Die Resultate sind also recht unvorhersehbar und nur bis zu einem gewissen Mass zu steuern. Hinzu kommt noch, dass ich mit alten Papieren arbeite – Argenta hat die Produktion 1991 eingestellt, Orwo wurde in der DDR hergestellt.

Wer bei Lumenprints die Kontrolle behalten möchte, sollte davon also besser die Finger lassen und auf neues Papier, Belichtungsrahmen und Studiosetting zurückgreifen. Übrigens: Das ist das Resultat des obigen Arrangements. Es kam kein Windstoss.

Vor dem Fixieren; Papier: Argenta (24 x 30 cm)
Nach dem Fixieren

Lumenprint-Tagebuch: Scherben werfen Schatten

Glasscherben, Lumenprint auf Forte Bromofort BN 0 RC

Man könnte zu diesem Bild, so man denn gerade Lust hätte, viel Aufgeladenes schreiben. Über das Gefühl, dass die Welt, wie ich dachte, dass sie ist, auseinanderbricht gerade, zum Beispiel.

Doch eigentlich ist es nur so: Ich bin manchmal etwas – nun, ich würde es nicht direkt ungeschickt nennen, auch wenn es von aussen so aussehen mag. Viel eher bin ich manchmal etwas gar schnell, will drei Dinge gleichzeitig tun, zum Beispiel im einen Arm einen Wäschekorb das enge Treppenhaus hochtragen und mit dem andern Arm etwas vom Boden aufheben, und beides, während ich einen Podcast höre, und dann bleibt halt vielleicht der Wäschekorb an einem Bild hängen, dieses fällt zu Boden und das Glas des Rahmens zerbricht in tausend Scherben.

Was man auf dem Bild nicht sieht, sind die Scherben selber. Das Glas ist UV-durchlässig. Was man sieht, sind die Schatten, die die die Scherben auf das Fotopapier werfen. Auch dazu könnte man, so man denn gerade Lust hätte, viel Aufgeladenes schreiben. Über Spuren der Wirklichkeit, dass man nicht sieht, was ist, sondern nur die Spuren des Seins wahrnimmt.

Doch eigentlich ist es nur so: Fotografie ist sowieso nie ein Abbild der Wirklichkeit, sondern nur die Spur der Wirkung von Licht (und Schatten) auf Papier.

Lumenprint-Tagebuch: Im Garten

Morgen um 10.01 ist Tag-und-Nacht-Gleiche, der wichtigste aller Frühlingsanfänge. Es wäre langsam an der Zeit, den Garten aufzuräumen und für die neue Saison bereit zu machen. Bloss habe ich so gar keinen grünen Daumen und auch sehr wenig Freude an der Gartenarbeit. Ich lasse unseren kleinen Garten lieber machen, was er will und schaue ihm dabei zu. Wir haben ihn auch so eingerichtet, dass dieses Vorgehen gut ist: Wir haben Sträucher und Bäume, die man einmal im Jahr zurückschneiden muss, Blumen, die sich von selber ausbreiten, eine Wiese, die nur einmal im Jahr einen Schnitt braucht.

Ein klein bisschen was muss man aber trotzdem noch tun, sei’s drum. Heute habe ich im grossen Topf, in dem seit Jahren der Schnittlauch tapfer immer wieder spriesst, die verdorrten Stängel von letztem Jahr rausgerupft. Das muss für heute reichen.

Verdorrter Schnittlauchstängel. Lumenprint auf altem Orwo-Fotopapier