Unser Dorf wächst – an den Rändern sind neue Häuser entstanden. Und mit den Häusern kamen Menschen und mit den Menschen kamen Autos. Grosse, schwere Autos.
Vor den Menschen waren Frösche, Kröten, Unken da. Sie überqueren die Strasse, auf denen die Menschen in ihren Autos zu ihren Häusern fahren.
Überfahrener Frosch. Lumenprint auf altem Fortebrom-Papier
Es tut mir immer ein kleines bisschen weh, invasive Neophyten auszureissen. Sie können ja nichts dafür, dass sie hier nicht hinpassen und das Gleichgewicht stören. Ich fühle mich jeweils wie eine schlechte Gastgeberin.
Im Kanton Glarus gibt es 14 invasive Pflanzenarten, die als so problematisch gelten, dass sie offiziell bekämpft werden. Im verlassenen Garten vis-à-vis wächst eine davon büschelweise: Die kanadische Goldrute.
Das hier sind einige davon:
Kanadische Goldruten, Cyano-Phyto-Lumen auf uraltem Kodak-Papiermaking of
Es ist jedes Jahr wieder ein ganz besonderer Moment: Das erste Mal ohne Neopren im Walensee schwimmen. Meist ist das Ende Mai/ Anfang Juni, und dieses Jahr war es gestern soweit – bei relativ kühlem Wasser. Es gibt keine offizielle Wassertemperaturangabe des Walensees, vermutlich deswegen, weil es am Walensee keine Badi gibt und daher auch keine regelmässige Wassertemperaturmessung. Der See ist an meiner Lieblingsbadestelle erfahrungsgemäss immer etwa 1-2 Grad wärmer als die nächstgelegene offizielle Messung der Linthtemperatur, daher gehe ich davon aus, dass wir bei 16-17 Grad geschwommen sind.
Die nasse Schwimmbrille habe ich nach dem Schwimmen auf ein Fotopapier geworfen, und zwar auf ein Agfa-Papier aus (vermutlich) den 80er Jahren. Dabei habe ich gelernt, dass weiches Fotopapier vermutlich für Lumenprint nicht besonders geeignet ist, es reagiert sehr schnell und halt – logisch, eigentlich – nicht besonders kontrastreich.
Unser wilder Sträuchergarten ist ein Blattlaus-Paradies. Jahr für Jahr fallen sie über die Schlehe und den Holunderbusch her, auch der Mirabellenbaum leidet unter Befall. Wir versuchen sie ohne Chemie zu bekämpfen und sprühen Neem. Dieses Jahr helfen uns ganz viele Marienkäferlarven die Meute etwas zu dezimieren. Hoffentlich sind sie hungrig genug, damit die Bäume nicht zu sehr leiden und wir doch im Spätsommer ein paar Mirabellen essen können.
POV: Du blickst aus einem überwucherten Fahrradkorb auf die Strasse.
Im Körbchen steckt ein Blatt Fotopapier.
An der Strasse, die zum Hintereingang meines Arbeitsplatzes führt, steht seit vorletztem Sommer eine Gruppe Velos. Stoisch lassen sie die Luft aus den Reifen fahren, der Ledersattel lässt sich vom Regen gerben, der Lenkerkorb und die Speichen laden Pflanzen zum Ranken ein.
Ich bin gespannt, wie lange noch die Velos von nichts anderem als der Zeit und den Rankpflanzen berührt werden.
Bis ich eine Schachtel Fotopapier eingepackt hatte, dauerte es hingegen nur bis heute.
Vor ein paar Jahren lag auf einer Mauer an derselben Strasse eine Tonbandkassette. Es dauerte Monate, bis sie sich von ganz zu ganz kaputt verändert hatte.
Es war HIStory. Past -Present – Future von Michael Jackson.
Es dauerte noch weitere 2 Monate, bis sie ganz kaputt war.
Ich denke, diese Strasse ist einfach ziemlich entspannt und schaut lieber erst mal zu.
Und wieder gibt es „Rekord-Wetter“, Schnee an Ostern, Überschwemmungen, Unwetter. Geschlossene Strassen, Stromausfälle. Die online-Portale schalten Newsticker.
Doch nicht alle Veränderungen in den Wettermustern sind so spektakulär. Der Bodensee mit seinem aktuell rekordtiefen Wasserstand (die Rekorde jagen sich!) liegt ruhig und unspektakulär da, man muss schon wissen, wie er normalerweise aussieht und riecht, um es zu bemerken. Jedenfalls im Obersee, wo der See tief und das Ufer steiler ist, und es über weite Strecken einen Schilfgürtel hat, der auch trockengefallen „normal“ aussieht. Doch der trockengefallene Streifen ist breit und erinnert an die Ostsee bei Ebbe.
Bei Egnach habe ich eine Lücke im Schilfgürtel gefunden. Dort, wo das Gras aufhört, fängt normalerweise der See an. jetzt geht es noch ein ganzes Stück weiter, auf brackig riechendem lehmigem Boden. Je näher ich dem Wasser komme, desto schlammiger wird es, und wenn da nicht überall alte, abgebrochene Schilfstängelstück liegen würden, würde ich einsinken. Ich möchte als Erinnerung nicht nur lehmverkrustete Turnschuhe nach Hause nehmen:
Bei Egnach hat es eine Lücke im Schilfgürtel, der Weg zum See dreimal so weit wie üblichSchlamm und Schilf auf altem Agfa-Papier
Die Belichtungszeit war unfreiwillig kurz. Es war windig, und obwohl ich eine windgeschützte Stelle gesucht habe, war das Schilf dann auf einmal weg.
Gestern war ein sonniger und warmer Frühlingstag. Ich bin an den See gefahren, an meinen Lieblingsplatz am Walensee, mit einem Rucksack voll Fotopapier und dem Kopf voll mit Ideen.
Ich bin sehr gern am See. Ein paar Stunden am und im Wasser laden zuverlässig meine Batterien auf, heben meine Laune. Es fehlt mir sehr, dass ich im Winter nicht im warmen Sand liegen und lesen oder träumen kann, es fehlt mir, dass ich im Winter nicht im See schwimmen kann. Darum habe ich mir vor zwei Jahren (endlich!) einen Neopren-Anzug zugelegt, so kann ich die Schwimmsaison in beide Richtungen ein bisschen verlängern. Noch ist der See dafür aber ein bisschen zu kalt. Auch mit Neopren sollte die Wassertemperatur zweistellig sein.
Nun also ohne Schwimmen, dafür mit Fotopapier an den Strand. Die Idee war, irgendwie „Frühling am See“ abzubilden. Im Frühling hat es am Strand einen Schwemmgutsaum, viel pflanzliches Material, ein paar Schneckenhäuschen und glücklicherweise sehr wenig Kunststoffabfall. Zwei Beispiele:
Rosmarinzweig aus dem Schwemmgutsaum auf altem Fotopapier (Argenta Baryt), vor dem Fixieren
Dasselbe Bild, nach dem Fixieren
Gemischtes Schwemmgut auf altem Orwo-Fotopapier, vor dem Fixieren …
… und danach
Und jetzt Daumen drücken, dass kein Windstoss kommt!
Lumenprints „in the wild“ zu machen, ist eine ziemliche Herausforderung – ganz besonders am See. Wasser verändert die Entwicklungszeit dramatisch, das gilt natürlich für jeden noch so kleinen Tropfen oder Spritzer. Sand ist eine Herausforderung, vom Wind gar nicht zu reden. Und auch nicht davon, dass es ziemlich umständlich ist, das Fotopapier unter dem Pullover aus der Packung zu fummeln, damit es auch ja kein Licht abbekommt.
Die Resultate sind also recht unvorhersehbar und nur bis zu einem gewissen Mass zu steuern. Hinzu kommt noch, dass ich mit alten Papieren arbeite – Argenta hat die Produktion 1991 eingestellt, Orwo wurde in der DDR hergestellt.
Wer bei Lumenprints die Kontrolle behalten möchte, sollte davon also besser die Finger lassen und auf neues Papier, Belichtungsrahmen und Studiosetting zurückgreifen. Übrigens: Das ist das Resultat des obigen Arrangements. Es kam kein Windstoss.
Glasscherben, Lumenprint auf Forte Bromofort BN 0 RC
Man könnte zu diesem Bild, so man denn gerade Lust hätte, viel Aufgeladenes schreiben. Über das Gefühl, dass die Welt, wie ich dachte, dass sie ist, auseinanderbricht gerade, zum Beispiel.
Doch eigentlich ist es nur so: Ich bin manchmal etwas – nun, ich würde es nicht direkt ungeschickt nennen, auch wenn es von aussen so aussehen mag. Viel eher bin ich manchmal etwas gar schnell, will drei Dinge gleichzeitig tun, zum Beispiel im einen Arm einen Wäschekorb das enge Treppenhaus hochtragen und mit dem andern Arm etwas vom Boden aufheben, und beides, während ich einen Podcast höre, und dann bleibt halt vielleicht der Wäschekorb an einem Bild hängen, dieses fällt zu Boden und das Glas des Rahmens zerbricht in tausend Scherben.
Was man auf dem Bild nicht sieht, sind die Scherben selber. Das Glas ist UV-durchlässig. Was man sieht, sind die Schatten, die die die Scherben auf das Fotopapier werfen. Auch dazu könnte man, so man denn gerade Lust hätte, viel Aufgeladenes schreiben. Über Spuren der Wirklichkeit, dass man nicht sieht, was ist, sondern nur die Spuren des Seins wahrnimmt.
Doch eigentlich ist es nur so: Fotografie ist sowieso nie ein Abbild der Wirklichkeit, sondern nur die Spur der Wirkung von Licht (und Schatten) auf Papier.
Morgen um 10.01 ist Tag-und-Nacht-Gleiche, der wichtigste aller Frühlingsanfänge. Es wäre langsam an der Zeit, den Garten aufzuräumen und für die neue Saison bereit zu machen. Bloss habe ich so gar keinen grünen Daumen und auch sehr wenig Freude an der Gartenarbeit. Ich lasse unseren kleinen Garten lieber machen, was er will und schaue ihm dabei zu. Wir haben ihn auch so eingerichtet, dass dieses Vorgehen gut ist: Wir haben Sträucher und Bäume, die man einmal im Jahr zurückschneiden muss, Blumen, die sich von selber ausbreiten, eine Wiese, die nur einmal im Jahr einen Schnitt braucht.
Ein klein bisschen was muss man aber trotzdem noch tun, sei’s drum. Heute habe ich im grossen Topf, in dem seit Jahren der Schnittlauch tapfer immer wieder spriesst, die verdorrten Stängel von letztem Jahr rausgerupft. Das muss für heute reichen.
Verdorrter Schnittlauchstängel. Lumenprint auf altem Orwo-Fotopapier
Ich gehe gern zu Fuss. Fremde Städte erkunden ist zu Fuss am schönsten, beim durch die Natur streifen ist es das beste Tempo, aber ich komme auch ganz gern ganz schlicht zu Fuss von A nach B.
Dabei habe ich aber null sportlichen Ehrgeiz. Schritte zählen ist mir nicht wichtig , Wandern und Gipfel sammeln ist nicht meins. Ich bin mehr so Team Flanieren und Bummeln und dabei Gucken, Denken oder, am Allerliebsten: Reden.
Gestern waren wir im übernächsten Dorf einkaufen und sind dann zu Fuss nach Hause, das sind ungefähr 8 Kilometer. Wir haben viel gesehen: Frühlingsblumen (Huflattich, Veilchen, Leberblümchen), Baustellen (ESAF!), Tiere (Gämsen, Raben, Bienen), das Farbenspiel des sehr klaren Wassers im Fluss (viele Grüns), Bekannte.
Wir sind zwar grösstenteils auf Naturstrassen unterwegs gewesen und dennoch tun mir heute leider meine Knie ziemlich weh – ich habe Arthrose. Meistens geht es gut beim Gehen, sofern es nicht zu kalt ist und nicht zu stark bergab geht, diesmal leider nicht. So ein Mist!
So bleibe ich heute zu Hause und nutze den zwangsweise ruhigen Tag, um an einer Bildidee herumzuexperimentieren: Ich möchte versuchen, mit Lumen meinen Tag „mitzuschneiden“. Heute war es ein ruhiger Tag in Finken und im Haus.
Zwei Stunden in meinen Birkenstocks, an einem ruhigen Tag zu Hause
links vor, rechts nach dem Fixieren
Papier: Agfa Brovira Speed BN 310PE 3 (sicher vor 1993 hergestellt: Auf der Packung ist die PLZ von Leverkusen vierstellig)