Lumenprint-Tagebuch: Scherben werfen Schatten

Glasscherben, Lumenprint auf Forte Bromofort BN 0 RC

Man könnte zu diesem Bild, so man denn gerade Lust hätte, viel Aufgeladenes schreiben. Über das Gefühl, dass die Welt, wie ich dachte, dass sie ist, auseinanderbricht gerade, zum Beispiel.

Doch eigentlich ist es nur so: Ich bin manchmal etwas – nun, ich würde es nicht direkt ungeschickt nennen, auch wenn es von aussen so aussehen mag. Viel eher bin ich manchmal etwas gar schnell, will drei Dinge gleichzeitig tun, zum Beispiel im einen Arm einen Wäschekorb das enge Treppenhaus hochtragen und mit dem andern Arm etwas vom Boden aufheben, und beides, während ich einen Podcast höre, und dann bleibt halt vielleicht der Wäschekorb an einem Bild hängen, dieses fällt zu Boden und das Glas des Rahmens zerbricht in tausend Scherben.

Was man auf dem Bild nicht sieht, sind die Scherben selber. Das Glas ist UV-durchlässig. Was man sieht, sind die Schatten, die die die Scherben auf das Fotopapier werfen. Auch dazu könnte man, so man denn gerade Lust hätte, viel Aufgeladenes schreiben. Über Spuren der Wirklichkeit, dass man nicht sieht, was ist, sondern nur die Spuren des Seins wahrnimmt.

Doch eigentlich ist es nur so: Fotografie ist sowieso nie ein Abbild der Wirklichkeit, sondern nur die Spur der Wirkung von Licht (und Schatten) auf Papier.

Lumenprint-Tagebuch: Im Garten

Morgen um 10.01 ist Tag-und-Nacht-Gleiche, der wichtigste aller Frühlingsanfänge. Es wäre langsam an der Zeit, den Garten aufzuräumen und für die neue Saison bereit zu machen. Bloss habe ich so gar keinen grünen Daumen und auch sehr wenig Freude an der Gartenarbeit. Ich lasse unseren kleinen Garten lieber machen, was er will und schaue ihm dabei zu. Wir haben ihn auch so eingerichtet, dass dieses Vorgehen gut ist: Wir haben Sträucher und Bäume, die man einmal im Jahr zurückschneiden muss, Blumen, die sich von selber ausbreiten, eine Wiese, die nur einmal im Jahr einen Schnitt braucht.

Ein klein bisschen was muss man aber trotzdem noch tun, sei’s drum. Heute habe ich im grossen Topf, in dem seit Jahren der Schnittlauch tapfer immer wieder spriesst, die verdorrten Stängel von letztem Jahr rausgerupft. Das muss für heute reichen.

Verdorrter Schnittlauchstängel. Lumenprint auf altem Orwo-Fotopapier

Lumenprint-Tagebuch: Zu Fuss

Ich gehe gern zu Fuss. Fremde Städte erkunden ist zu Fuss am schönsten, beim durch die Natur streifen ist es das beste Tempo, aber ich komme auch ganz gern ganz schlicht zu Fuss von A nach B.

Dabei habe ich aber null sportlichen Ehrgeiz. Schritte zählen ist mir nicht wichtig , Wandern und Gipfel sammeln ist nicht meins. Ich bin mehr so Team Flanieren und Bummeln und dabei Gucken, Denken oder, am Allerliebsten: Reden.

Gestern waren wir im übernächsten Dorf einkaufen und sind dann zu Fuss nach Hause, das sind ungefähr 8 Kilometer. Wir haben viel gesehen: Frühlingsblumen (Huflattich, Veilchen, Leberblümchen), Baustellen (ESAF!), Tiere (Gämsen, Raben, Bienen), das Farbenspiel des sehr klaren Wassers im Fluss (viele Grüns), Bekannte.

Wir sind zwar grösstenteils auf Naturstrassen unterwegs gewesen und dennoch tun mir heute leider meine Knie ziemlich weh – ich habe Arthrose. Meistens geht es gut beim Gehen, sofern es nicht zu kalt ist und nicht zu stark bergab geht, diesmal leider nicht. So ein Mist!

So bleibe ich heute zu Hause und nutze den zwangsweise ruhigen Tag, um an einer Bildidee herumzuexperimentieren: Ich möchte versuchen, mit Lumen meinen Tag „mitzuschneiden“. Heute war es ein ruhiger Tag in Finken und im Haus.

Zwei Stunden in meinen Birkenstocks, an einem ruhigen Tag zu Hause

links vor, rechts nach dem Fixieren

Papier: Agfa Brovira Speed
BN 310PE 3
(sicher vor 1993 hergestellt: Auf der Packung ist die PLZ von Leverkusen vierstellig)

Lumenprint-Tagebuch: Unsere kleine Hürbi *)

Lumenprint: Blätter von letztem Herbst auf mit Rostwasser befeuchtetem alten Fotopapier

In unserem Quartier steht seit geraumer Zeit ein Haus leer. Der vorherige Eigentümer ist im Herbst 2022 gestorben. Vor bald zwei Jahren wurde es verkauft, bald danach ausgeräumt, aber sie wurden damit nicht ganz fertig, denn seither stehen vor der Garage die Küchengeräte (und ein Stuhl) vergessen herum und rosten vor sich hin.

Einen guten Eindruck macht das nicht und ich wundere mich auch fast ein bisschen, dass mich noch nie jemand aus dem Quartier auf das vor sich hinrottende Küchengeräteensemble angesprochen hat. Wir sind hier auf dem Land, da wäre das zu erwarten.

Ich meinerseits finde es primär faszinierend zu beobachten, wie die Zeit arbeitet. Und vielleicht ist es ja auch gar keine Hürbi, sondern Kunst; eine Langzeitperformance zum Thema Industriekultur und Vergänglichkeit.

Die letzten Tage war das Wetter feucht und um die Kochherdplatten hat sich eine Rostflockensuppe gebildet, in der noch Blätter vom letzten Herbst herumschwimmen – da hat es mich in den Fingern gejuckt.

Notizen zum Making-Of

Ein alter (Therma-)Kochherd, stehengelassen und vergessen.

Zwei Blatt Fotopapier, Forte Bromofort RC, beide in schmutziges Rostflockenwasser getunkt. Auf eines habe ich die Blätter gelegt, die seit letztem Herbst auf dem Herd liegen.

Anschliessend drei Stunden bei wechselhaftem Wetter auf die Fensterbank.

Nach dem Fixieren

Altes Fotopapier, in Rostwasser getunkt und zwei Stunden auf dem Fenstersims belichtet.
Offenbar macht der Rost nicht viel Besonderes mit dem Papier.

*) Hürbi ist Glarner Dialekt für «Kehrichthaufe, Sammelloch für Abfälle».
Quelle: Schweizerisches Idiotikon.